Der Spiegel, 35/1996, p. 104:

Tourismus

Alles Käse

Noch ist der Raketentrip zu teuer, doch Japanner planen bereits Hotels auf dem Mond - und der Reiseführer für Lunar-Urlauber ist auch schon da.

Die Reise-Experten des Verlags mit dem Namen Moon Publications haben sich um Ziel gesetzt, jenen Touristen zu helfen, die besonders extravagante Ferienziele anpeilen. Die in Kaliforniën erscheinenden Alternativ-Handbücher über Tibet, Belize oder die kanadische Northwest Territories seien "lebendig und witzig formuliert", lobte die Far Eastern Economic Review, "besonders im Vergleich zu vielen staubtrocken geschriebenen anderen Reiseführern.

Das jüngste Produkt der Kalifornier behandelt allerdings ein Urlaubsziel, das als besonders staubig gilt - den Mond. Das "Moon Handbook" liefert Raumreisenden Tips zu Transport, reisezeit und Unterbringung auf dem Nachtgestirn (*).

Autor Carl Koppeschaar. der das himmelstürmerische Werk zunächst in seiner niederländischen Muttersprache verfasste, informiert über Sightseeing-Attraktionen und Klima, Sport- und Erholungsmöglichkeiten auf dem Erdtrabanten - optimale Vorbereitung auf jene Ära, in der Ausflüge auf den Mond tatsächlich möglich sein werden.

Aufgebaut ist der Leitfaden für ausserirdische Trips wie ein gewöhnlicher Reiseführer, der nicht nur mit den Schönheiten der Fremde bekannt macht, sondern auch mit Geschichte, Kultur und Sozialen Problemen. In Sachen Geschichte holt Koppeschaar ziemlich weit aus; gilt es doch darzulegen, wie der Gesteinsklumpen mit 3476 Kilometer Durchmesser vermutlich entstanden ist. Im obligatorischen Kapitel "Bevolkerung" klärt der gewitzte Autor über diverse historische Irrtümer auf: So sei bewiesen, dass auf dem Trabanten weder Mondbisons, Einhörner noch Fledermausgeflügelte Mondmänner leben.

Koppeschaar ist kein Epigone von Douglas Adams, dem Verfasser des fiktiven Reiseführer "Per Anhalter durch die Galaxis", und hat auch nicht bei den Comic-Mondabenteurern Tim und Struppi geklaut. Die holländische Luna-Fibel, geschrieben aus der Perspektive des Jahres 2020, ist durchaus wissenschaftlich inspiriert, schiesslich hat der Autor Astronomie und Physik studiert.

Seine Mondbegeisterung entwickelte Koppeschaar, als er den Schatten des Mondes während totaler Sonnenfinsternisse beobachtete und dafür rund um die Welt reiste. Irgendwan begann er über einige ebenso naheliegende wie schwierige Fragen nachzusinnen: Welche Kleidung trägt man dort oben? Wie ist das Klima? Scheint die Sommersonne auch am Strand des Mare Humorum? Wenn ja, welchen Lichtschutzfaktor braucht man dort? Gefahr droht dem Mondurlauber durch kosmische Strahlen aus dem All und durch starke Sonnenwinde. Die Temperatur auf der vernarbten Kugel schwankt bis zu 290 Grad.

Das Verpflegungsproblem immerhin scheint gelöst zu sein. Koppeschaar erwähnt zwar nur ein Lokal, das Vier-Sterne-Restaurant "Far Earth", doch bekanntermassen sei "Käse eines der populärsten Nahrungsmittel auf dem Mond".

Alles Käse? Von wegen. Schon seit längerem versuchen clevere Unternehmer Trips zu künftigen Lunaparks zu vermarkten. Der US-Reiseveranstalter Jack Garvoy nahm bereits 1950 in New York Buchungen für Mondreisen an. Der Trip sollte 19 Stunden dauern. Datum und Ort für den Start standen schon fest: Central Park, 15. März 1975. Leider wurde der Start verschoben - bis auf weiteres.

Schuld sind doe hohen Kosten für den Flug und die harten Vorbereitungstests der Weltraumbehörden. Ohne monatelanges Training konnte bislang niemand einen Ausflug ins All antreten.

Das soll sich nun ändern. Der erste Schritt auf dem Weg in die Weltraumferien ist ein offizielles japanisches Weltraumprojekt. Die Japaner wollen ein Flugzeug entwickeln, das wie ein herkömmlicher Jet starten und Passagiere mit mindestens zehnfacher Schallgeschwindigkeit in den Orbit katapultieren soll. Und das japanische Bauunternehmen Shimizu plant, wie die Zeitungen jüngst meldeten, bereits den Bau eines Mondhotels - angeblich arbeitet die Firma auch schon an Methoden, um auf dem Erdtrabanten Beton herzustellen.

"Eines Tages wird Weltraumtourismus sehr populär sein"; sagte Shinji Matsumoto, Generaldirektor der Abteilung Weltraumsysteme bei Shimizu, in einem interview mit der Japan Times. Die Kosten für eine Pauschalreize schätzt der Manager allerdings auf 138 000 Mark.

Wie realitätsbezogen Carl Koppeschaar an seinen Urlaubsvisionen arbeitete, zeigt seine Beschreibung der Sehenswürdigkeiten. Eine Rundfahrt durch die Mondlandschaft führt den Besucher unter anderen zu den "Beton- und Sauerstoffwerken der Firma Lunox, einem Joint-venture der japanischen Firma Shimizu und der texanische Konstruktionsfirma Carbotek Development". Die Japaner, schreibt Koppeschaar, "begannen in den neunziger Jahren mit dem Bau von Kolonien.


(*) Carl Koppeschaar: "Moon Handbook, A 21st-Century Travel Guide", Moon Publications, Chico (USA); 152 Seiten; 10 Dollar.


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